(ho) Der Klassiker in der Beratung:
Verschiedene Mieter stellen unbefugt ihre Fahrräder „irgendwo“
auf dem Grundstück, häufig auf dem Hof des Mietshauses ab. Den
Vermieter ärgert das; er fordert durch Aushang dazu auf, die verbotswidrig
abgestellten Fahrräder bis zu einem bestimmten Stichtag zu entfernen
und droht deren Entsorgung für die Zeit danach an.
So auch geschehen in einem Fall, in dem aber dann entgegen der Ankündigung
die Fahrräder durch eine dazu beauftragte Drittfirma nicht beseitigt
wurden. Die Hausverwaltung des Vermieters macht der Firma Dampf. Jetzt
geht alles ganz schnell - die Firma beseitigt die abgestellten Fahrräder
umgehend. Mieter M „vermisst“ sein Fahrrad und klagt gegen
Vermieter V auf Schadensersatz. Dazu präsentiert er Rechnungen über
das Fahrrad samt Zubehör und kürzt zeitwertbedingt. Der Vermieter
bestreitet mit Nichtwissen, dass der Mieter Fahrradeigentümer war,
dass sich das Fahrrad im Hof befunden habe und dass die Firma das Fahrrad
entsorgt habe.
Das Amtsgericht (AG) Berlin-Mitte erkennt den Klageanspruch auf zeitwertbedingt
gekürzten Schadensersatz zu (Urteil vom 7.2.2022 - 20 C 206/21, IMR
2022, 225).
Die Gründe:
Von der Eigenschaft des Mieters als Eigentümer des Fahrrades sei
auszugehen. Denn der Vermieter habe nicht bestritten, dass der Mieter
Besitz an dem Fahrrad hatte. Folglich streite die in § 1006 BGB enthaltene
Vermutung, dass der Besitzer auch Eigentümer einer Sache ist, für
die Version des Klägers, hier Mieter M. Unstreitig sei auch, dass
die Fahrräder im Hof durch die von der Hausverwaltung beauftragte
Drittfirma entsorgt wurden. Dies sei dem Vermieter ebenso zuzurechnen
(§ 164, 831 BGB) wie die fehlende Umsetzung der angedrohten Entsorgung
zuvor. Ob die Fahrräder befugt oder unbefugt im Hof abgestellt worden
seien, bleibe ohne Belang. Denn den Vermieter treffe mit der Inbesitznahme
der abgestellten Räder eine Schutz- und Obhutspflicht, die ihre weitere
Entsorgung grundsätzlich ausschließe (ebenso auch: BGH, Urteil
vom 27. 4. 1971 - VI ZR 191/69, juris). Weil er gegen diese Pflichten
verstoßen habe, das Fahrrad deshalb nicht mehr herausgeben könne,
habe er den durch die Vorlage der Rechnung nachgewiesenen Zeitwert zu
ersetzen.
Nachzutragen ist:
Das Gericht ist nach prozessualen Regeln davon ausgegangen, dass der Mieter
entgegen des Bestreitens des Vermieters sein Fahrrad mit im Hof abgestellt
hat (§ 138 Abs. 3 und 4 ZPO) und dass das Fahrrad deshalb Teil der
„Entsorgungsaktion“ geworden ist.
Lesetipp zu den Grenzen erlaubter Nutzung der Grundstücksaußenbereiche:
Broschüre "Streit im Mehrfamilienhaus“,
2. Aufl. 2020, 338 Seiten DIN A5 gebunden, ISBN 978-3-96434-012-2, Preis
21,95 € zuzüglich Versandkosten
bei Einzelbestellung, zu beziehen über Haus
und Grund Stade.
© Dr. Hans Reinold Horst
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