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Erbrecht: Erben noch zeitgemäß? Erbrecht abschaffen?

(ho) Zugegeben, die Überschrift klingt provokant. Und das ist sie auch! Denn Eigentum und Erbrecht sind im Grundrechtskatalog unserer Verfassung garantiert (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG). Unser Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftssystem baut auf diesen Garantien auf - und das ist gut so! Denn sonst gibt es keine Leistungsanreize mehr, ohne die eine Marktwirtschaft nun einmal nicht funktionieren kann. Und vor allem: Diese Garantie ist Grundfundament jeder rechtsstaatlichen Ordnung!

Trotzdem wird der Ruf nach der Umverteilung von Vermögen immer lauter. Da werden Gleichheitsgedanken, Gerechtigkeitserwägungen und vor allem die Sozialisierung von starken wirtschaftlichen Einbußen durch Pandemie, Energiekrise, Inflation und international politische Verwicklungen rekrutiert. Überlegungen zur Revitalisierung des Lastenausgleichsgedankens zur Abmilderung der Kriegsfolgen werden prominent angestellt. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages prüft, ob dieses System auf die Umverteilung der Pandemielasten passt.

Ein weiterer Ansatz:
Erhebungen über (v)ererbtes Vermögen und sogar medial unternommene europaweite Betrachtungen zu Erbrecht und Erbschaftsteuer (27-Das europäische Magazin: Erbschaft abschaffen?, Mehrsprachige Sendung in Arte am 4.12.2022) sollen das Dogma eines garantierten Erbrechts erschüttern und die Neiddiskussion weiter anstacheln: Die Ausgangsfrage dort: „Die immer größere Konzentration des Reichtums in den Industrieländern lässt Europäer:innen der heiklen Frage des Erbrechts nachgehen. Sollte man Erbschaften ganz abschaffen, deckeln oder hoch besteuern?“ (vgl. https://www.arte.tv/de/videos/106527-022-A/27-das-europaeische-magazin/).

Deutschland als Staat geht das Thema im Augenblick noch subtiler an; innerhalb des Jahressteuergesetzes 2022 sollen durch geplante Änderungen des Bewertungsgesetzes Immobilien gerade im Ertragswertverfahren ab dem 1. Januar 2023 höher bewertet werden und ihre Übertragung damit eher zu einer Schenkung- oder Erbschaftsteuer mit höherer nominaler Steuerbelastung führen. Aufgrund des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes gilt das sowohl für die eigentliche Vererbung nach dem Tod als auch für die vorweggenommene Erbfolge durch lebzeitige Immobilienübertragung. Von einem drohenden Anstieg der Steuerbelastung in beiden Fällen von bis zu 20-30 % ist die Rede.

Dies ruft die Furcht vor „Notverkäufen“ auf den Plan, um die Steuerbelastung bei Übertragungsvorgängen unter Lebenden oder von Todes wegen überhaupt stemmen zu können. Die erste Erkenntnis: Dies würde die Erwerber (Erben) betreffen, nicht die jetzigen Eigentümer. Unabhängig davon: Von steuerlichen Belastungen sollte man sich keinesfalls leiten lassen. Gerade bei so entscheidenden Fragen wie der Übertragung von Immobilieneigentum sollte „Ruhe die erste Bürgerpflicht“ sein. Rein steuerlich betrachtet sollte man als Immobilieneigentümer sowieso nicht handeln und zum Beispiel in vorweggenommener Erbfolge bereits übertragen. Diese Lösung muss zunächst wirtschaftlich und familiär passen. Hier liegt die Priorität, nicht bei der Steuer. Steuerrechtliche Überlegungen sollten sich erst dann anschließen.

Will sagen:
Wer sowieso übertragen möchte, sollte dies jetzt tun. Liegt der Fall aber anders, dann sollte man sich Zeit lassen, um in Ruhe eine kluge Gestaltung entweder durch Übertragungsvertrag in vorweggenommener Erbfolge oder durch Verfügung von Todes wegen zu entwickeln.

Die zweite Erkenntnis:
Entscheidende Gerichte müssen den Nachlasswert ermitteln, dürfen ihn also nicht grob festlegen und die Erbmasse schon gar nicht schätzen (OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. August 2022 – 2 Wx 44/22 –, juris).

Und die dritte Erkenntnis:
Politische, ethische oder philosophische Diskussionen um die Berechtigung von Erbrecht und Erbschaftsteuer ansich sollten zwar beobachtet, bei der Regelung der eigenen Vermögensnachfolge aber ausgeblendet werden. Denn „so schnell“ ist ein Umbruch nun auch wieder nicht zu erwarten.

Gleichwohl: Um es mit einer berühmt gewordenen Textzeile auszudrücken: „Völker, höret die Signale …“.

Lesetipp:
Broschüre "Übertragung und Vererbung von Grundbesitz“, 4. Auflage 2022, ISBN 978-3-96434- 032-0, 589 Seiten, 29,95 € zuzüglich Versandkosten bei Einzelbestellung, zu beziehen über Haus und Grund Stade.

© Dr. Hans Reinold Horst

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