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Bauliche Veränderung: Barrieregerecht?

(ho) Mieter mit Behinderungen haben einen Erlaubnisanspruch gegenüber dem Vermieter auf eine barrierearme Ausstattung der gemieteten Räume sowie der notwendigen Zugänge auf eigene Kosten. Die Grenze dieses Verlangens liegt in seiner Zumutbarkeit für den Vermieter. Was ihm nicht zumutbar ist, muss er also nicht erlauben (§ 554 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Mieterin M ist schwerbehindert und Rollstuhlfahrerin. Sie hält einen Assistenzhund in ihrer Wohnung und auch auf der mitvermieteten Terrasse. Sie errichtet einen hüfthohen Zaun auf der gemeinschaftlichen Rasenfläche, damit ihr der Hund nicht wegläuft. Dazu behauptet der Vermieter, das sei eigenmächtig und ohne Erlaubnis geschehen. M hält dem entgegen, sie habe einen Mitarbeiter des Vermieters gefragt und der habe diese Maßnahme mündlich genehmigt. Gleichwohl sieht Vermieter V sich durch den Zaun in seinem Eigentum beeinträchtigt; der Zaun müsse umgehend entfernt werden (§§ 541, 1004 Abs. 1 BGB). Denn die Gemeinschaftsfläche sei nicht Teil der angemieteten Wohnung. Schon deshalb sei M durch die Einzäunung nicht zur ausschließlichen Nutzung der Fläche hinter dem Zaun und bereits nicht zur baulichen Veränderung durch den Zaun auf der Gemeinschaftsfläche berechtigt. M verteidigt sich damit, sie sei als schwerbehinderte Rollstuhlfahrerin auf ihren Assistenzhund angewiesen. Der Zaun sei zu dulden. Denn sie könne nach § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Maßnahmen verlangen, die der Barrierefreiheit dienten. Auch nach dem AGG sei eine behindertengerechte Anpassung der Mietsache zu ermöglichen. Schließlich macht sie geltend, vergleichbare Zäune seien auch von anderen Mietern errichtet worden. V klagt auf Entfernung des Zauns.

Das AG Brandenburg gibt der Klage aus §§ 541, 1004 Abs. 1 BGB statt (AG Brandenburg, Urteil vom 6.5.2025 - 31 C 153/24, FD-MietR 2025, 808645). Die mit der Einzäunung in Anspruch genommene Fläche sei eine Gemeinschaftsfläche und nicht Teil der angemieteten Wohnung. Ihre alleinige Nutzung sei schon deshalb vertragswidrig. Das Recht auf bloße Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Grünfläche berechtige nicht zur ausschließlichen Nutzung oder baulichen Veränderung, wie sie durch die Einzäunung erfolgt sei.
Einzäunungen von anderen Mietern seien lediglich geduldet. Ohne rechtlichen Bindungswillen sei dies lediglich als Gefälligkeit ohne rechtliche Bindungswirkung zu werten. Derartige Gestattungen seien jederzeit frei widerrufbar.

§ 554 BGB bietei ebenfalls keine Basis für den errichteten Zaun. Denn die Vorschrift erfasse nur bauliche Veränderungen innerhalb des räumlichen Bereichs, der den Mieter zur Nutzung überlassen worden sei. Räumliche Erweiterungen der Gebrauchsbefugnis auf nicht mitvermietete Flächen seien nicht inbegriffen. Auch das berechtigte Interesse der Mieterin an der Haltung eines Assistenzhundes führe allenfalls zu gesteigerten Toleranzgeboten gegenüber dem Tier, nicht aber zu räumlichen Erweiterungen von Gebrauchsrechten im Hinblick auf eine behauptete notwendige behindertengerechte Anpassung im Rahmen von § 554 BGB (zur nicht gedeckten räumlichen Erweiterung des Gebrauchsrechts auch: Deutscher Bundestag, Drucksache 19/18791, 87).

Nachzutragen ist:
Weil es sich bereits nicht um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 554 Abs. 1 BGB handelt, ist das Gericht folgerichtig auch nicht auf die Frage eingegangen, ob sie zur Erreichung einer Barrierefreiheit „erforderlich“ gewesen ist.

Lesetipp:
Broschüre „Sanierung und Modernisierung im Wohnungseigentum“, 2. Aufl. 2021, 261 Seiten, DIN A5 Klebebindung, ISBN 978-3-96434-025-2, 16,95 € zuzüglich Versandkosten bei Einzelbestellung und
Broschüre "Nachbarstreit im Wohnungseigentum", 2. Aufl. 2022, 283 Seiten, DIN A 5 gebunden, ISBN 978-3-96434-028-3, Verlag Haus & Grund Deutschland – Verlag und Service GmbH, Berlin , Preis 16,95 € inklusive 7 % MwSt. zuzüglich Versandkosten bei Einzelbestellung,
jeweils erschienen bei Haus & Grund Deutschland Verlag und Service GmbH, Mohrenstraße 33,10117 Berlin,
zu beziehen über Haus und Grund Stade.

© Dr. Hans Reinold Horst

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